Eine Ikone bröckelt

Robert Capa "erfand" die Kriegsfotografie. Dieses Jahr ( 2024) wäre der am 22. Oktober 1913 als  Endre Ernő Friedmann in Budapest geborene Robert Capa 111 Jahre alt geworden. Am 25. Mai 1954 kam er in Vietnam durch eine Landmine ums Leben.

Dieses Bild unten soll das letzte gewesen sein, das Robert Capa aufnahm. Es zeigt einen Trupp französischer Minensucher, mit dem Capa am 25. Mai 1954 in Indochina (dem heutigen Vietnam) unterwegs war. Dabei zerfetzte ihn ausgerechnet eine Landmine. Robert Capa war 40 Jahre alt als er starb, aber bereits eine Legende.

Seit rund zehn Jahren allerdings zerbröselt sein Nimbus, seit immer häufiger Kollegen die Capa umrankenden Legenden hinterfragen. Legenden, die von Capa selbst mit aufgebaut, gehegt und gepflegt worden waren.

Bekannt wurde Capa durch seine Bilder aus dem spanischen Bürgerkrieg. Insbesondere ein Foto, das einen republikanischen Soldaten in dem Augenblick zeigt, in dem ihn eine feindliche Kugel tödlich trifft, begründete den Ruf Capas. Nach Spanien war Capa auf Umwegen über Berlin, Wien und Paris gekommen. Er verließ Ungarn 1931, studierte danach in Berlin Journalistik und verließ die Stadt nach der Machtübernahme durch die Nazis und der zunehmenden Judenfeindlichkeit. Zunächst in Wien, später in Paris lernte Capa zahlreiche Fotografen kennen. Darunter Henri Cartier-Bresson. 

Er traf auch Gerta Pohorylle, die wegen ihrer sozialistischen Überzeugungen und jüdischen Herkunft ebenfalls aus Deutschland geflohen war. Sie wurde Capas Lebensgefährtin, seine Schülerin und Fotografin. Um seine Bilder besser verkaufen zu können, erfanden die beiden die Figur „Robert Capa“, einen in Paris lebenden reichen US-amerikanischen Fotografen. Nachdem ein Redakteur den Schwindel aufgedeckt hatte, nahm Friedmann den erfundenen Namen an und aus Gerta Pohorylle wurde Gerda Taro. 1935 wurde Capa mit Taro und Seymour von seinem Fotografielehrer für eine Fotoreportage nach Spanien geschickt (Quelle: Wikipedia), wo Gerda Taro 1937 gefallen ist.

Könnte Friedmann allen seinen Bewunderern etwas vorgespielt haben wie seinerzeit in Paris als er den Avatar Robert Capa erfand? Manche meinen ja und begannen, sein bekanntestes Bild in Zweifel zu ziehen. Der republikanische Soldat sei nicht in dem Moment aufgenommen worden, als ihn die Kugel traf. Vielmehr habe Capa diese Aufnahme gestellt. Die Echtheit der von den Kritikern hoch gelobten Fotos vom D-Day, als Capa mit der ersten Angriffswelle der US-Truppen gegen Omaha-Beach anstürmte, wird zwar nicht an gezweifelt. Allerdings die Geschichte dahinter. Denn angeblich sollen sämtliche Filme Capas, die er während dieses Ereignisses belichtete, bei der Entwicklung zerstört worden sein.

Capa schrieb später in seinen Memoiren, er habe 106 Bilder aufgenommen. Die Filmrollen wurden unmittelbar danach nach London gebracht. Entweder von einem bereit gestellten Flugzeug oder Capa selbst - hier gibt es unterschiedliche Versionen - und entwickelt. Ein junger Laborant soll angeblich die Tür zum Trockenraum geschlossen haben, wodurch dieser überhitzte und bis auf die existierenden elf Negative alle Filme zerstört wurden.

Und just diese Geschichte ziehen Capas Kritiker, allen voran A.D. Coleman, in Zweifel. Coleman behauptet, Capa sei 90 Minuten am Strand gewesen, habe dort zwischen 72 und 144 Aufnahmen gemacht, bis Capa entweder keine unbelichteten Filme mehr gehabt oder seine Kamera gestreikt habe. Beides darf einem erfahrenen Fotoreporter nicht passieren. Möglicherweise sei daher die Mär von den verbrannten Filmen erfunden worden. Er ist sicher: "Die Katastrophe mit dem Trockenraum ist nie passiert." Nach 90 Minuten am Strand sei Capa mit einem Schiff, das medizinischer Versorgungsgüter und Sanitäter abgesetzt habe, zurück nach England gefahren, um ja den Redaktionsschluss von LIFE nicht zu verpassen.

Colemans Argumente entbehren nicht einer gewissen Logik. Es sei behauptet worden, der junge Photolaborant habe die Tür zum Trockenraum geschlossen. Normalerweise stünde sie offen. Aber warum soll sie offen stehen, fragt Coleman. Dadurch kühle der Raum aus und außerdem könnten Staub und Dreck in den Raum gelangen und die Filme schädigen. Genau um dies zu verhindern, gebe es Trockenräume und deswegen sei es sinnvoll, diese geschlossen zu halten. Außerdem - wenn man derart wichtiges und einmaliges Fotomaterial zu verarbeiten habe, passe man mit Argusaugen darauf auf. Durch die Hitze sei die Emulsion der Filme geschmolzen: "Da ist unmöglich", sagt der Kritiker.

Hat also Capa tatsächlich nicht mehr als diese elf unscharfen und verwackelten Bilder von der Landing der Alliierten geliefert? Möglich ist es. Und möglich ist auch, dass Capa, dem die Kugeln der deutschen Verteidiger im wahrsten Sinn des Wortes um die Ohren flogen: "Die Kugeln schossen um mich herum Löcher ins Wasser", heißt es in seinen Memoiren "Slightly out of Focus", die erstbeste Gelegenheit nutzte, sich und seine Fotos in Sicherheit zu bringen.